Zeichnungen

In den letzten Jahren habe ich vor allem gezeichnet. Mir gefällt dabei die Unmittelbarkeit, die Reduktion der Mittel bei gleichzeitiger Unendlichkeit der Möglichkeiten und die Situation, mit nur Papier und Stift allein zu sein.

Die Linie spielt in meinen Zeichnungen keine Rolle,  nicht das Notizhafte, nicht der Entwurf, nicht das Flüchtige. Meine Zeichnungen bewegen sich im Grenzbereich zur Malerei und sind eben doch Arbeiten auf Papier, schwarze Pastellkreide auf Papier. Sie handeln von vorgestellten Räumen, Behausungen, Körpern und Landschaften, von  Himmel, Wasser und Erde. Sie entstammen der träumenden Imagination, die sich aus der sichtbaren Wirklichkeit speist. Den Fundus dafür bildet meine ungeordnete Sammlung von eigenen Fotografien,  Zeitungsausschnitten, Texten, Nachrichten, Fundstücken, Kunstpostkarten, Gedanken und  Erinnerungen.

weit fort

Es gibt eine umfangreiche Sammlung von Schwarz-Weiß-Fotografien vom Mars, Ergebnis systematischer Erfassung, sachlicher Bestandaufnahme zum Zwecke der Wissenschaft, sie sind von betörender Schönheit. Beim Spaziergang durch einen winterlichen Wald sah ich im Licht der tief stehenden Sonne plötzlich ähnliche Landschaften, ähnliche Furchen, Erhebungen, Schlagschatten, Gebirgszüge, Täler, Schluchten. Ich entdeckte in den von Schlaglicht getroffenen Oberflächen der Baumstämme die Landschaften vom Mars wieder, in den Schrunden, dem Aufgeplatzten, Vernarbungen. Selbst Krater und Spuren vermeintlicher Einschläge ließen sich finden. Ich verlor mich darin, kehrte mit der Kamera zurück, ging mit ihr sehr nah ran und war sogleich sehr weit fort. Das Gesehene tauchte an meinem Zeichentisch wieder auf, zusammen mit dem Gedanken, wie sehr diese Bilder des Gewordenen den Bildern des Gemachten und Verursachten (Angerichteten) gleichen, die unaufhörlich auf uns einstürzen.   »Die Erde, die wir jetzt von außen sehen können. Da hängt sie. Da wohne ich (der Weltraum)«, schrieb Inger Christensen 1990  in ihrem Text »Mysterium der Realitäten« .

  • 2014/2015
  • Pastellkreide auf Papier
  • Fotos: Nikolaus Brade

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Rauch

Es gibt Motive, die immer wiederkehren, mit kleinen Verschiebungen in andere Bedeutungsebenen. So ähneln die Wolkenbilder von vor einigen Jahren den neueren Rauchbildern und sind doch etwas ganz Anderes. Bei den Wolkenbildern ging es mir vorrangig um die Schaffung von unzugänglichen, nicht fassbaren Räumen.

Die Rauchbilder von 2013/2014 hingegen sind ein Reflex auf die täglich auf uns einstürzenden Bilder: ausbrechende Vulkane, brennende Ölfelder, wärmende Feuerplätze, Detonationen, Brandrodungen, prosperierende Industrielandschaften, qualmende Schornsteine, Raffinerien, brennende Barrikaden, Freudenfeuer, improvisierte Kochstellen.

  • 2013/2014
  • Pastellkreide auf Papier
  • Fotos: Nikolaus Brade

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Seestücke

Das Motiv der Seestücke taucht immer wieder auf in meinen Arbeiten. Es gibt zwei Plastiken aus den frühen 90erJahren zu dem Thema. Es gibt mehrere Zeichnungsserien, in denen sich inhaltlich jeweils etwas verschiebt.

Der wesentliche Unterschied zwischen den früheren sich auf Wasser beziehende Arbeiten und denen ab 2002, die unter dem Titel „Schwimm!“ zusammengefasst sind, ist die Verortung des zeichnenden oder schauenden Subjekts.

Die frühen Seestücke sind Draufsichten. Ähnlich wie bei den Kraterbildern und den Architekturen der späten 90er Jahre,  befindet man sich in einer Lage über der Situation, schwebend, fliegend, fallend.  Ab ungefähr 2001 hat sich der Standpunkt zu den Zeichnungen verändert: ich versuchte, eine Innenperspektive zu finden, man befindet sich innerhalb der räumlichen Strukturen, schaut in Gebälk empor oder aus Löchern oder Schächten heraus, scheint umgeben von Wänden.

Ab ungefähr 2002 wurde auch bei den Seestücken der Standpunkt verlegt. Allerdings trifft hier dieser Begriff nicht wirklich. Oder noch weniger als bei den Draufsichten, bei denen ja auch schon klar war, dass der feste Boden unter den Füssen fehlt.

Man befindet sich innerhalb der Wellen, die sich vor einem auftürmen, die auf einen zurollen oder einen gleich verschlingen. Der Standpunkt ist also kein fester Ort, so wie das Dargestellte nichts Festes ist, sondern Bewegung. Annäherung an die Materialität von Wasser, die Bewegung von Wasser. Es gibt keine wirkliche Anschauung davon, denn alles so Erlebte ist der Flüchtigkeit eines kurzen Augenblicks unterworfen.

  • 2002/2004
  • Pastellkreide auf Papier
  • Fotos: 1-12 Michael Schroedter, 13 Nikolaus Brade

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